Tilla Lingenberg gewinnt Autorenpreis in Leipzig

Mit dem Theaterstück "Wagen 1322" gewann die Hamburger Autorin Tilla Lingenberg den 1. Autorenwettbewerb des Theaters der "Jungen Welt Leipzig". Das Theaterstück wurde für eine ungewöhnliche Spielstätte – einem Bus – verfasst, kann aber an jedem beliebigen Ort gespielt werden. Die Uraufführung findet im Leipziger Theater am 31. Mai 2007 statt.

In der Begründung der Jury, der Henning Fangauf, Jens Groß und Lutz Hübner angehörten, heißt es:

„Zwei gefährdete Menschen unserer Gesellschaft treffen sich in einem Bus. Jasmin, die 19-jährige, hat für ihr junges Mädchensein eigentlich schon viel zu viel erlebt hat. Mit 16 bekam sie das erste Kind, wenig später folgte das Zweite. Deren Väter haben sich längst aus dem Staube gemacht. Jasmin weiß nicht mehr weiter und streunt nachts durch die Straßen. Dabei steigt sie in einen Linienbus, der von der 50-jährigen Busfahrerin Anette durch die Nacht gesteuert wird. Diese ist prekär im bürgerlichen Leben verwurzelt und muss um Job und Zukunft bangen. Beide erleben quälende Stunden gemeinsam im Bus, dessen Türen sich aufgrund eines technischen Defekts nicht öffnen lassen. Am Ende aber hält die Solidarität dieses - wie man neuerdings sagt - Prekariats nicht: die Busfahrerin lässt die Polizei rufen, denn in ihr wächst - durch eine Radiomeldung wachgerufen - der Verdacht, dass Jasmin ihre eigenen Kinder durch Unterlassung getötet hat.

Der Autorin gelingt es, die beiden Figuren mit wenigen Andeutungen plastisch zu zeichnen, als zwei Beschädigte, Verzweifelte unserer Gesellschaft. In den knappen, auf schnelle Repliken aufbauenden Dialogen beweist die Autorin ihr Talent für Sprache und dramatische Situation. Sie hat mit „Wagen 1322“ einen Bus zum mitagierenden Spielort ihres Stückes erfunden und somit die Ausschreibung des Wettbewerbs produktiv umgesetzt. Der Bus wird zu einem Druckraum. In ihm verdichten sich Handlung und Kommunikation, in ihm wechseln Hilflosigkeit und Aggression sich ab. Die Geschichte hält überraschende Wendungen parat und ist mit ihrem plötzlichen Schluss alles andere als eindeutig. Fragen bleiben offen, Fragen an die Zuschauer und letztendlich an die Gesellschaft.

Das Stück wurde mit „schneller Feder“ eigens für den Wettbewerb geschrieben. Gerade diese Tatsache, der die eine oder andere Schwäche im dramaturgischen Aufbau noch geschuldet sein mag, anerkennt die Jury und verbindet damit die Hoffnung, dass die Autorin und das Theater das Stück zur Uraufführung hin weiterentwickeln werden. Die Jury prämiert eine Autorin, die Talent im schnellen Finden von relevanten Geschichten, Zeichnen von gesellschaftlich determinierten Figuren und künstlerischen Umgang mit Alltagssprache aufweist.“

Henning Fangauf für die Jury